An den Jahrestag der Reformation haben wir uns in dieser Woche erinnert. Für mich immer wieder ein zwiespältiges Datum.
Der 31. Oktober 1517 markiert mit der Veröffentlichung der 95 Thesen Martin Luthers die Spaltung der Christen im westlichen Europa. Er ist der Beginn einer Epoche, in der Menschen sich einander im Namen Jesu und ihres jeweiligen Bekenntnisses unendliches Leid zufügten. Einer der Tiefpunkte ist sicher der Dreißigjährige Krieg. Gar nicht weit von Halle – bei Lützen – starben tausende katholische und evangelische Landsknechte für nichts und wieder nichts…
Zugleich hatte die Reformation aber auch zu viele und hinreichende Gründe. Es war gut und richtig, dass Luther den Verfall des kirchlichen Lebens anprangerte. Letztlich gab er so auch den notwendigen Anstoß zur Reform unserer römisch-katholischen Kirche. Das Konzil von Trient bereitete in der Mitte des 16. Jahrhunderts dafür den Weg.
Vieles von dem, das Luther anregte, ist heute in der katholischen Kirche so wirklich, dass wir darüber gar nicht mehr nachdenken: die Kommunion unter beiderlei Gestalten, Gottesdienst und Predigt in deutscher Sprache, Kirchengesang, das Lesen der Heiligen Schrift und vieles mehr. Auch Luthers Antwort auf die große Frage – „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ – trennt uns nicht mehr. Der Magdeburger Bischof Dr. Gerhard Feige nennt Luther seit Jahren immer wieder einen „Lehrer im Glauben“ auch für katholische Christen.
Und warum überwinden wir dann diese unselige Spaltung nicht endgültig? Ich weiß es nicht.
Natürlich gibt es noch Unterschiede. In der Ämterfrage, bei den Sakramenten. Natürlich kann man zwei so große Kirchen nicht einfach verschmelzen. Es gibt Bremser und Bedenkenträger auf beiden Seiten.
Eine wirklich begeisternde Vision hat dazu der evangelische Theologe Edmund Schlink zu Papier gebracht. In der Erzählung „Die Vision des Papstes“ schreibt Schlink von einem Pontifex – einem Brückenbauer – der es sehr ernst meint mit der Ökumene. Ganz im Sinn des Zweiten Vatikanischen Konzils unternimmt er mutige Schritte hin zur Einheit der Christen. Diese Vision, davon bin ich überzeugt, kann auch für uns zu einem Hoffnungszeichen, ja vielleicht sogar zu einem Aufforderungszeichen werden.
Lasst uns unseren gemeinsamen Glauben auch gemeinsam leben!